Spitzenkandidatur

#AfD  Vor dem Parteitag braucht die AfD eine Alternative für Petry

Frauke Petry in ihrer Videobotschaft zum Kölner Parteitag, vor einer Deutschlandfahne und einem Anti-Euro-Plakat ihrer Partei.
Frauke Petry in ihrer Videobotschaft zum Kölner Parteitag, vor einer Deutschlandfahne und einem Anti-Euro-Plakat ihrer Partei.
Foto: Screenshot Facebook / Frauke Petry
Parteichefin Petry überrascht ihre Gegner: Sie will die AfD nicht in die Bundestagswahl führen. Das letzte Wort hat der Parteitag.

Berlin.  Eine Deutschlandfahne mit Bügelfalten auf weißer Raufasertapete, daneben ein Plakat der AfD mit einem Anti-Euro-Spruch – das war der Hintergrund, den Frauke Petry für einen ungewöhnlichen Schritt wählte. Wenige Tage vor dem großen Parteitag am Wochenende in Köln verkündete die Parteichefin am Mittwoch in einer Videobotschaft, sie wolle die AfD nicht in den Bundestagswahlkampf führen.

Möglicherweise war das ein Schritt ins politische Abseits. Vielleicht war es aber auch das Cleverste, was Petry in der jetzigen Situation tun konnte. Ihre Gegner in der Partei jedenfalls hat sie damit komplett überrascht. Alexander Gauland etwa, einer ihrer Rivalen, war am Dienstagabend erst aus dem Italienurlaub nach Potsdam zurückgekehrt. Der 76-Jährige, der eine Karriere in der CDU und in vielen politischen Funktionen hinter sich hat, saß sprachlos in seinem Büro im Potsdamer Landtag. Petrys Co-Chef Jörg Meuthen sagte, er sei „etwas überrollt“ worden.

Petry gilt vielen als das Aushängeschild ihrer Partei

Um wenige Minuten nach 14 Uhr wurde Petrys Video auf ihrer Facebook-Seite freigeschaltet. Damit dies von den Medien auch wahrgenommen wurde, zu denen die AfD ein gespaltenes Verhältnis pflegt, waren einige Journalisten vorgewarnt worden. Mehr als zehn Minuten lang spricht Petry in dem Video über die strategische Ausrichtung der Partei. Dann lässt sie die Katze aus dem Sack: „Um allen Spekulationen ein Ende zu bereiten: Ich stehe weder für eine alleinige Spitzenkandidatur noch für ein Spitzenteam zur Verfügung.“ Ein Paukenschlag, der sie das Amt an der Spitze der Partei kosten kann.

Petry, 41 Jahre alt, hat vor vier Jahren die AfD mitgegründet. Sie hat ihren früheren Co-Vorsitzenden Bernd Lucke vom Thron gestürzt und ihren aktuellen Co-Chef Meuthen an den Rand gedrängt. Sie gilt als das Aushängeschild ihrer Partei und ist für viele Anhänger eine Sympathieträgerin. Diese Frau also will die AfD nicht in die Bundestagswahl führen? „Wir versuchen noch, das wahre Motiv dahinter zu erkennen“, hieß es am Nachmittag aus dem Lager ihrer Gegner.

Eine mögliche Deutung: Petry setzt ihrer Partei mit dem Schritt die Pistole auf die Brust. Denn was Petry nicht verkündet hat, ist ihr Rückzug aus der Bundespolitik. Noch ist sie Bundesvorsitzende. Sie ist auch nach wie vor Spitzenkandidatin in ihrem Landesverband Sachsen. Sie will auch nach Köln zum Parteitag fahren. Und sie will dort weiter dafür kämpfen, dass die AfD sich entscheidet – zwischen einem Kurs, den Petry „Fundamentalopposition“ nennt, und einem Kurs, mit dem sie bei der Bundestagswahl 2021 an die Macht kommen will. Das sagt sie in dem Video: Die AfD müsse sich „konsequent auf die Übernahme der Regierungsverantwortung als Seniorpartner ab 2021“ vorbereiten. Nur so bekomme man die Probleme in Deutschland in den Griff.

Die AfD-Chefin ist bereit, ihren Antrag gegen Gauland „konsensfähig“ zu machen

Für diesen Kurs wirbt Petry in den ersten zehn Minuten ihres Videos. Das ist ganz schön viel Aufwand für jemanden, der mit der Bundestagswahl eigentlich nicht mehr viel zu tun haben will. Ausführlich stellt sie dar, dass die Streitereien innerhalb der AfD die Außenwirkung beschädigen würden. Das Wählerpotenzial, also die Zahl der Menschen, die sich vorstellen können, AfD zu wählen, sei zuletzt deutlich geschrumpft. Man könne nicht wie die Grünen ewig in der Opposition verharren und erst nach zwanzig Jahren vielleicht die Macht übernehmen: „Ich fürchte, dass Schulz und Co von Deutschland bis dahin nicht viel übrig lassen.“

Gauland überrascht vom Rückzieher Petrys
Gauland überrascht vom Rückzieher Petrys

Nein, man müsse jetzt und gemeinsam die vielen ungeklärten Positionen im Programm klären, erklärt die hochschwangere Petry mit sichtlich angeschlagener Stimme. Machtkämpfe und „unabgestimmte Provokationen“ müssten aufhören, sagt sie. Das ist nur eine von zwei Stellen in dem Video, an denen etwas Selbstkritik durchschimmert. Die andere Stelle ist die, an der die Vorsitzende einräumt, bei der Formulierung ihres „Zukunftsantrags“ für den Parteitag, mit dem sie diese strategische Frage klären will, vielleicht zu „deutlich formuliert“ habe, sodass „Mitglieder erschreckt“ worden seien. In dem Antrag hatte sie ihren Stellvertreter Alexander Gauland frontal angegriffen. Gleich zu Beginn des Parteitags am Sonnabend sollen die Delegierten über Petrys Antrag abstimmen. Die Unterstützung dafür war zuletzt gering. Das dürfte der Hauptgrund für das Video sein. Es ist gewissermaßen Petrys letztes Ass im Ärmel. Zurückziehen will Petry den Antrag nicht. Sie sei bereit, „Passagen umzuformulieren und konsensfähig zu machen“, sagt sie. Aber der Antrag bleibt.

Ist der Wahlkampf für eine Mutter von bald fünf Kindern einfach zu viel?

Wird er abgelehnt, dann ist Petry auch als Vorsitzende gescheitert, das ist ihr klar. Wird der Antrag in abgeänderter Form beschlossen, könnte sie vielleicht weitermachen – auch wenn ihre Gegner schon längst darüber spekulieren, nach dem Parteitag und vor der Bundestagswahl einen neuen Vorstand zu wählen – in der Erwartung, Petry würde dann durchfallen. Dass die promovierte Chemikerin nun die Machtfrage stellen muss, hat sie sich in gewissem Maß selbst zuzuschreiben. Kritiker werfen ihr vor, inhaltlich zu wenig festgelegt zu sein und der Partei in wichtigen Sachthemen keine Richtung gegeben zu haben. An den Positionen der AfD für die Bundestagswahl hat Petry selbst nicht aktiv mitgearbeitet. Außer ihrem noch immer starken Rückhalt an der Basis scheint sie keine Verbündeten mehr zu haben. Ihr sehr selbstbewusster Führungsstil und ihre Ehe mit dem NRW-Landesvorsitzenden Marcus Pretzell stößt vielen in der Partei auf.

Kürzlich erst hatte Petry in einem Interview laut über ein Leben nach der Politik nachgedacht: „Weder die Politik noch die AfD sind für mich alternativlos.“ Die Jahre in der AfD hätten einen „enormen Kraftaufwand bedeutet“, klagte Petry. Tatsächlich könnte es also auch einen ganz banalen Grund geben für den Verzicht auf die Spitzenkandidatur: Petry hat festgestellt, dass ein Wahlkampf als Mutter von bald fünf Kindern sie überfordern könnte.

Schulz - AfD ist Schande für Deutschland
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