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Wirtschaft  Pkw-Maut wird laut ADAC-Studie zu einem Verlustgeschäft

Die von Verkehrsminister Dobrindt forcierte Pkw-Maut könnte im Bund laut einer Studie zu Verlusten führen.
Die von Verkehrsminister Dobrindt forcierte Pkw-Maut könnte im Bund laut einer Studie zu Verlusten führen.
Foto: Jens Büttner / dpa
Die umstrittene Pkw-Maut könnte zu einem Verlustgeschäft werden. Darauf deutet jedenfalls eine neue Studie im Auftrag des ADAC hin.

Berlin.  Lange und verbissen hat Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) für eine Pkw-Maut auf deutschen Autobahnen gekämpft. Erst vor zwei Wochen hat das Kabinett eine Version des Mautgesetzes beschlossen, mit der auch die EU-Kommission leben kann. Doch das Prestige-Projekt könnte zu einem Verlustgeschäft werden: Der Münchner Verkehrswissenschaftler Ralf Ratzenberger kommt in einer Studie im Auftrag des ADAC zu dem Schluss, dass die Maut so, wie sie jetzt geplant ist, dem Bund Verluste von bis zu 147 Millionen Euro allein im ersten Jahr verursachen könnte.

Zwar hat Ratzenberger errechnet, dass die Maut, wenn sie wie jetzt geplant 2019 in Kraft tritt, insgesamt zunächst 3,3 Milliarden Euro in die Kassen spült. Doch davon stammen nur 276 Millionen von ausländischen Autofahrern. Die restlichen Einnahmen kommen von Deutschen – und werden über die Kfz-Steuer ausgeglichen. Wer ein Auto fährt, das der Abgasnorm Euro-6 entspricht, wird sogar noch zusätzlich entlastet. Das war der Kompromiss, den der CSU-Minister mit der europäischen Kommission ausgehandelt hatte.

Auch Bundesrechnungshof dämpft Erwartung

Von den 3,3 Milliarden bleiben so laut der Studie nur noch 139 Millionen Einnahmen im Jahr. Das reiche nicht, um die laufenden Betriebskosten von 211 Millionen zu decken. Die 380 Millionen Euro, die die Einführung des Systems laut Ministerium kostet, vergrößern die Lücke: Werden sie umgelegt auf fünf Jahre, zahlt der Bund laut Studie allein 2019 147 Millionen drauf. Verteilt man die Einführungskosten auf zehn Jahre, bleibt immer noch ein Verlust von 109 Millionen Euro im ersten Jahr.

Ratzenberger kommt damit zu einem deutlich anderen Ergebnis als die Prognose aus dem Haus von Minister Dobrindt: Laut Verkehrsministerium soll die Maut kein Geld kosten, sondern für den Bund mehr als 500 Millionen Euro erwirtschaften.

Experte: Annahmen des Ministeriums nicht plausibel

Hintergrund für die Diskrepanz sind laut Ratzenberger die unterschiedlichen Annahmen, die den Rechnungen zugrunde liegen. So geht das Ministerium von 19,2 Millionen Pkw von ausländischen Fahrern aus, für die Maut gezahlt werden müsste. Ratzenberger dagegen rechnet nur mit 7,8 Millionen betroffenen Wagen, die dafür aber häufig die Grenze überqueren. Mehr Vielfahrer also, die häufig in Deutschland sind und Jahresvignetten kaufen, weniger Touristen und Gelegenheitsgeschäftsreisende, die Vignetten für zehn Tage oder zwei Monate kaufen.

„Die Annahmen, mit denen das Verkehrsministerium rechnet, sind nicht plausibel“, sagt der Verkehrswissenschaftler unserer Redaktion. „Unter den Autofahrern, die für eine eintägige Geschäftsreise die deutschen Autobahnen benutzen, sind zum Beispiel lange nicht so viele Ausländer wie das Ministerium annimmt.“ Die Einnahmen, mit denen Dobrindt plant, hält er daher für viel zu hoch. „Die Wahrheit liegt hier auch nicht in der Mitte.“ Alles über 400 Millionen brutto sei nicht denkbar.

Zweifel an Rentabilität schon länger

Kritiker der Maut wird das Ergebnis der Studie nicht überraschen. So rechnet nach Medienberichten auch Wolfgang Schäuble (CDU) mit einem Minus durch die Maut. Experten des Finanzministers sehen vor allem langfristig ein Problem in der vereinbarten Entlastung von Besitzern von Autos, die der Euro-6-Norm entsprechen. Schon Anfang 2016 gab es in Deutschland 3,1 Millionen Autos dieses Typs, in den nächsten Jahren wird ihre Zahl drastisch steigen. Bereits 2023 wird diese Regelung nach Ratzenbergers Berechnungen das Minusgeschäft für den Bund vergrößern – um weitere 93 Millionen im Vergleich zu 2019.

Zweifel an der Rentabilität von Dobrindts Plänen gibt es schon länger. So hieß es im Januar in einer Studie im Auftrag der Bundestagsfraktion der Grünen, dass die wachsende Zahl abgasarmer Autos die Einnahmen durch die Maut senken würden.

Nachbarländer organisieren Widerstand

Auch der Bundesrechnungshof hatte im Dezember die Erwartungen auf hohe Einkünfte durch die Maut gedämpft. Präsident Kay Scheller hatte im Gespräch mit dieser Redaktion massive Zweifel geäußert: „Wir sehen den Aufwand für die Kontrolle der Mauterhebung kritisch. Die Einnahmeprognose ist mit erheblichen Risiken verbunden.“ Angesichts des „doch relativ geringen Anteils des ausländischen Personenverkehrs am gesamten Kraftfahrzeugverkehr“ dürfe man die Möglichkeit der Bemautung von ausländischen Fahrzeugen nicht überbewerten.

Nachbarländer organisieren bereits Widerstand gegen das Vorhaben. Österreichs Verkehrsminister Jörg Leichtfried ist überzeugt, die Maut sei „diskriminierend und darum EU-rechtswidrig“.

Das Bundesverkehrsministerium teilte dagegen am Donnerstag mit, dass die Einnahmen durch die Maut möglicherweise sogar höher ausfallen als bisher gedacht. Nach einem aktuellen Gutachten, auf das das Ministerium verwies, könnten die Einnahmen zehn bis 25 Prozent über den bisherigen Erwartungen liegen. Grund sei, dass bislang konservativ kalkuliert worden sei.

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