Nationalmannschaft

EM  Was Löw seinem Nachfolger Flick mit auf den Weg gibt

Hansi Flick (l.) und Joachim Löw nach dem WM-Triumph 2014.
Hansi Flick (l.) und Joachim Löw nach dem WM-Triumph 2014.
Foto: AFP
Die Amtszeit von Joachim Löw endet, Hansi Flick übernimmt. Der Wunschtrainer aller? Nicht ganz. Auch ein anderer großer Name kursierte.

Herzogenaurach. Joachim Löw sah gut aus, als er sich am Mittag nach dem 0:2 gegen England, dem Achtelfinalaus bei der Europameisterschaft und seinem letzten Auftritt als Bundestrainer, noch einmal Fußball-Deutschland präsentierte. „Es war eine kurze Nacht“, sagte der 61-Jährige, der in seinem weinroten Kapuzenpullover im EM-Quartier der Nationalmannschaft in Herzogenaurach aber gar nicht so wirkte. Löw lächelte, antworte höflich und freute sich sichtlich über die zahlreichen guten Wünsche, die ihm auf seiner letzten Pressekonferenz als Nationaltrainer entgegengebracht wurden. „Ich bin mit mir im Reinen“, sagte Löw. „Mein Herz schlägt weiterhin Schwarz-Rot-Gold.“

Kurz nach Mitternacht waren er und seine Mannschaft am Abend zuvor auf dem Nürnberger Flughafen gelandet. Zurück im Quartier „Homeground“ hatte er noch ein paar nette Worte an seine Spieler, seinen Trainerstab und das Team hinter dem Team zu sagen, ehe aus dem Bundes-Jogi über Nacht der Privatier Joachim wurde. „Mir war es wichtig, mich bei allen zu bedanken“, sagte Nationalmannschafts-Rentner Löw also am nächsten Mittag – und vergaß selbstverständlich auch nicht seinen Co-Trainer aus früheren Tagen, der praktischerweise auch sein Nachfolger wird. „Ich wünsche meinem Nachfolger Hansi Flick alles Gute.“

Hansi Flick: Nach dem WM-Triumph auf dem Höhepunkt aufgehört

Gleich mehrfach hätten er und Flick während des Turniers Kontakt gehabt, verriet Löw auf Nachfrage dieser Zeitung. Das Auftaktspiel gegen Frankreich (0:1) hatte der einstige Löw-Assistent live in der Münchner Allianz Arena verfolgt, anschließend hätten sie des Öfteren telefoniert oder SMS ausgetauscht. „Wir kennen uns in- und auswendig“, sagte Löw am Mittwoch.

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Fußball-Deutschland wird Flick dagegen erst noch so richtig kennen lernen. Doch ein wirklich Unbekannter ist der Heidelberger, der nun die Herkulesaufgabe hat, der Nationalmannschaft zu neuem Glanz zu verhelfen, natürlich nicht. Achte Jahre lang assistierte er Löw in der wohl besten Phase der Nationalmannschaft, die diese möglicherweise je hatte. Viermal zogen die beiden Trainer zusammen in ein Turnier-Halbfinale ein, ehe Flick das machte, was Löw eben nicht machte: Er hörte nach dem Triumph von Rio de Janeiro auf dem Höhepunkt auf, ging nach einem kurzen Intermezzo als DFB-Sportdirektor und einem sehr kurzen Intermezzo als Hoffenheim-Geschäftsführer zu den Bayern. Und obwohl der ewige Assistent Hansi auch in München zunächst nur als Co-Trainer eingeplant war, wurde er beim Rekordmeister schnell zum Interims-, dann zum Chef- und schließlich zum Erfolgstrainer. Sieben Titel in nicht einmal zwei Jahren – mehr geht eigentlich nicht.

Auch Löw soll sich für Hansi Flick ausgesprochen haben

Als sein früherer Chef Löw im März dann seinen Rücktritt als Bundestrainer nach der Europameisterschaft erklärt hatte, schien für ganz Fußball-Deutschland schnell klar zu sein, dass nun der bajuwarische Titelsammler mit dem Nationalmannschaftsgen übernehmen müsste. Auch Löw soll sich für seinen früheren Assistenten ausgesprochen haben.

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Hansi Flick darf also mit voller Berechtigung als das bezeichnet werden, als das die meisten neuen Trainer vorgestellt werden: als Wunschlösung. Was allerdings nur die wenigsten wissen: Es gab im DFB durchaus den einen oder anderen, der sich auch an Flicks vorzeitiges (und eher unrühmliches) Ende als DFB-Sportdirektor 2017 erinnerte. Wie diese Zeitung erfuhr, gab es ursprünglich einen ganz anderen Trainer-Masterplan: Kurz vor dem WM 2018, als der damalige DFB-Präsident Reinhard Grindel mit Löw bis 2022 verlängert hatte, wurde in der DFB-Spitze aufgrund der folgenden Europameisterschaft im eigenen Land auch schon die Zeit danach berücksichtigt.

Jürgen Klopp war ein Kandidat für die Löw-Nachfolge

Die verwegene Idee: Liverpools Jürgen Klopp, der Strahlemann der Nation, sollte das Aushängeschild der Heim-EM werden. Als in der DFB-Spitze bekannt wurde, dass Klopp nach seinem damals bis 2022 laufenden Vertrag eine Auszeit plane, wurden aus Gedankenspiele sogar ganz konkrete Gespräche. Die Überlegung, die eine Abordnung des DFB Klopp in Liverpool unterbreitete: Er könne nach der Saison 2021/22 ein achtmonatiges Sabbatical einlegen, ehe er nach der WM 2022 erst im März 2023 die Nationalmannschaft übernehmen würde. Klopp, so sagen es frühere Spitzenfunktionäre des DFB noch heute, soll nicht abgeneigt gewesen sein.

Doch am Ende wurde aus all der grauen Theorie nie regenbogenbunte Praxis. Flick sammelte einen Titel nach dem nächsten mit den Bayern – und machte den überraschten DFB-Verantwortlichen trotzdem schnell klar, dass er für eine Rückkehr in die Nationalmannschaft zu haben sei. Als also am Mittwoch DFB-Interimspräsident Rainer Koch mit der Maschine LH901 auf Platz 2D zurück aus London-Heathrow nach Frankfurt flog, dürfte den in den vergangenen Monaten so stark kritisierte Funktionär das Gefühl beschlichen haben, zumindest in dieser Frage nicht ganz so viel falsch gemacht zu haben.

Oliver Bierhoff: Trainerstab wird bald komplettiert

Nationalmannschaftmanager Oliver Bierhoff verriet, dass man auch bei der Frage der zukünftigen Flick-Assistenten schon sehr weit sei. Marcus Sorg soll Co-Trainer bleiben, zudem soll Danny Röhl das Trainerteam komplettieren. Der 32-Jährige, der bereits bei den Bayern Flicks Assistent war, hatte in der vergangenen Woche beim FCB um die Auflösung seines bis 2023 laufenden Vertrags gebeten. „Wir haben das bald unter Dach und Fach“, sagte Bierhoff am Mittwoch – ohne dabei aber Namen zu nennen. Auch Dortmunds Edin Terzic soll für die Rolle des Flick-Assistenen im Gespräch gewesen sein, doch der Ur-Borusse hatte sich kürzlich entschlossen, Technischer Direktor beim BVB zu werden.

Das alles: Zukunftsmusik. In der Gegenwart blickte Löw am Mittwoch vor allem noch mal in die Vergangenheit zurück. „Als Außenstehender kann man das vielleicht nicht verstehen, 15 Jahre in dieser Verantwortung zu sein“, sagte Löw – und gab nach der Frage, ob er seinen Panzer jetzt ablegen könne, einen seltenen Einblick in sein Seelenleben: „Ich übernehme ohne Wenn und Aber die Verantwortung. Aber diese Verantwortung zu tragen, ist nicht leicht. Ich bin froh, dass ich mich erstmal zurückziehen kann.“

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Die Verantwortung ist Löw nun los. Hans-Dieter Flick wird sie übernehmen. Sein Vertrag läuft erst einmal bis nach der Heim-EM 2024. Dann ist Flick 59 Jahre alt – und wird hoffen, dass man auch ihm die Jahre mit der Nationalmannschaft äußerlich nicht anmerken wird. „Wenn Hansi einen Rat braucht, dann stehe ich natürlich zur Verfügung“, sagte Löw am Mittwoch. Und verschwand. Lächelnd. Und zufrieden.

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